Die Sage des Müllers Rose

Es lebte einmal ein Müller an der Schlaube, der war reich an Geld und Gut. Seine mächtige Wassermühle stand an einem großen See, umgeben von dichten Wäldern und Sümpfen. Mit seiner jungen Frau führte er ein vergnügtes Leben und schon bald gebar diese ein niedliches Töchterlein, das einzige Kind der beiden. Rose, so nannte man die Kleine, wurde schon bald der Liebling  aller. Sie war das Ebenbild ihrer Mutter an Güte und Schönheit. Die Jahre gingen ins Land. Von alt und jung ward die Müllersfamilie geachtet und lebte zufrieden. Doch kurz nach Roses 12. Geburtstag starb plötzlich die Frau des Müllers. Große Trauer herrschte in der Mühle. Von einem Tag auf den anderen  wurde der sonst lustige und redselige Müller verschlossen und still. Zurückgezogen und nur auf das Wohl seiner Tochter bedacht, arbeitete er Tag und Nacht in der Mühle. Seine Rose, sie war es, an die er dabei dachte. Ihr sollte es gut gehen, nie wollte er sie verlieren, war sie doch das einzige auf der Welt, was er noch liebte. Aus dem Mädchen wurde eine Frau,
wunderschön und gut über alle Maßen. Sie fegte, wusch und spann. Es sprach sich Ruhm, was für einen Schatz es hier gab. Viele Burschen warfen ein Auge auf die Müllerstochter, doch ihr Herz gehörte dem, der in des Vaters Mühle Beschäftigt war. Oft trafen sie sich nach getaner Arbeit am Waldesrand und spazierten am See entlang. Niemand ahnte auch nur, daß die beiden seit langem schon ein Paar waren.
Eines Tages, die Sonne wollte gerade untergehen, da kam es dem Müller ganz zufällig in den Sinn, doch wieder einmal nach dem Vieh auf der Weide zu sehen. Wölfe sollten ihr Unwesen treiben. Tief in Gedanken versunken näherte sich der Müller mit schnellen Schritten. Plötzlich - ein rascheln ganz in seiner Nähe! Sollten das die gefräßigen Ungeheuer sein? Beherzt griff dieser seinen Stock, den er vorsichtshalber mit sich genommen hatte und wollte gerade auf das Gebüsch einschlagen. Doch welch Entsetzen! Nicht Wölfe kamen hinter den Zweigen hervor, nein, seine Rose war es! Sein einziges Töchterlein, das er wie seinen Augapfel gehütet hatte, stand vor ihm mit niedergeschlagenen Augen und geröteten Wangen. Sie hielt ihren Liebsten fest bei der Hand und wollte gerade zum Vater sprechen, doch dieser wendete sich enttäuscht von ihr ab. Sollte seine Rose jetzt einem anderen gehören? Wollte sie ihn verlassen? Das konnte und durfte nicht sein! Kurz entschlossen jagte der Müller den Burschen bei Nacht und Nebel aus der Mühle. Erst wenn er zu Ansehen und Geld gekommen wäre, könne er um die Hand seiner Tochter bitten. Groß war das leid der Liebenden und auch kein Bitten des Mädchens half, den hartherzigen Vater umzustimmen. So verabschiedeten sie sich unter Tränen und versprachen sich ewige Liebe und Treue.
Die Jahre gingen ins Land. Unser Müllersbursche hatte es durch viel Fleiß und Ausdauer zu etwas gebracht. Der Gedanke an ein gemeinsames Leben mit Rose gab seinem Streben einen Sinn und half die oft schweren Stunden leichter zu überwinden.
In der Fremde zu Ansehen und Reichtum gekommen, kehrte er nach fast sieben Jahren an den Ort seiner Jugend zurück. Kirchenglocken läuteten gerade und alles wirkte vertraut wie früher. Wie von einer inneren Kraft getrieben bog er vom Mühlenweg ab, um in der Kirche ein Gebet der Freude zu sprechen. Schon von weitem sah er, daß dort viele gut gekleidete Leute standen. Eine lustige Hochzeitsgesellschaft war es! In Gedanken an seine eigene Hochzeit, ging der Müllersbursche freudig der hübschen jungen Braut entgegen.
Aber welch ein Schreck! Kannte er die Frischvermählte nicht? Rose, seine kleine Rose stand vor ihm im weißen Kleid, langem Schleier und einem riesigen Strauß roter Rosen. Sie hatte nicht mehr an die Rückkehr ihres Liebsten geglaubt und dem Drängen des Vaters, einen wohlhabenden Mühlenbesitzer aus dem Nachbarort zu heirten, nachgegeben. Kreidebleich sah sie den Müllersburschen an. Dieser rannte laut schreiend zum See. Hier hatten sie sich ewige Treue geschworen, hier wollte er sterben. Aus Gram und Kummmer über seine veratene Liebe erränkte er sich. Aber auch Rose fand kein Glück mehr. Wenige Tage darauf soll sie geistig umnachtet an der gleichen Stelle in den See gegangen sein. In der Johannisnacht zur Geisterstunde, so erzählt man sich erscheint die Unglückliche um Mitternacht klagend und weinend, um nach ihrem Liebsten zu rufen.
Aber den Ort, an welchem sich die traurige Geschichte um des Müllers Rose zugetragen haben soll, nannte man von da an Müllrose.



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