Kolonie Müllrose
Die Kolonie Müllrose entsteht 1771
Das Vorwerk Müllrose umfasst im Jahr 1771 907 Morgen, 39 Quadratmeter Acker, wovon allerdings nur 474 Morgen brauchbar sind. Der Acker liegt sehr niedrig, ist dadurch leicht von Überschwemmungen betroffen, da der Neue Graben höher verläuft als die Äcker gelegen sind, das Wasser schlecht abfließt. Das Ackerland besteht meist nur aus Sand. Dadurch, so die Aussage des Verwalters des Vorwerks, wird kaum so viel Korn geerntet wie die Wirtschaft erfordert.
Im Jahr 1771 werden nun 8 Familien auf dem Vorwerk als Erbpächter angesiedelt. Es sind: Matthias Specht, Valentin Lippolt, Bernhard Porh, Paul Porth, Jakob Molter, David Petermann, Friedrich Müller und Philipp Wölferling.
Entprechend dem ersten Vertrag mit ihnen sollten 448 Reichstaler an Erbpacht gezahlt werden.
Die Ansiedler finden das Vorwerk in schlechtestem Zustand vor. Inventar und Saatkorn sind nicht vorhanden, der Acker ist größtenteils in mangelhafter Kultur.
Trotzdem berichtet Domänenrat von Richthoff an die Kammer, daß er keine Colonie, welche sich an Anbauung eines Vorwerks gewagt habe, kenne, die dieser, sowohl wegen ihres Baues, als ihrer ordentlichen Wirtschaft, zu vergleichen wäre. Man könne sich von der Müllroser Kolonie viel Gutes versprechen. Allerdings leide die Wirtschaft durch die außerordentliche Überschwemmung der sehr niedrig gelegenen Äcker. Dem werde aber durch die Instandsetzung der Gräben abgeholfen werden.
Doch der Bericht des Domänenrates an die Kammer entspricht nicht der Realität.
Die Ernten bleiben schlecht. Im Jahre 1773 wenden sich die Kolonisten an den König. Das ihnen zugeteilte Land sei so schlecht, daß sie aller angewandten Mühe zum Trotz kaum das zweite Korn einernteten und im vergangenen Jahre wegen der Überschwemmungen auch dieses nicht einmal einbringen können.
Da sie mehrere Male nicht in der Lage sind, ihre Abgaben zu entrichten, und die Kammer nur bösen Willen annimmt, wird ihr genehmigt, die Bauern nacheinander beim Schulzen angefangen, zur Strafe in die Hausvogtei zu bringen.
Im Jahr 1777 berichtet Kriegs- und Domänenrat von Lamotte, wenn es mit den Unterthanen schon so weit gekommen sey, daß durch den Landreuter und Auspfändungen die Entrichtung ihrer Abgaben bewürket werden müße; so sey ihr gänzlicher Verfall und Umsturtz nicht mehr weit entfernet. Dieser an und vor sich richtige Satz, könne mit Grunde auf die Colonie zu Müllerose angewandt werden, und der Verfall der Colonisten rühre ihm um so mehr, Umsturtz nicht mehr, da sie keine liederliche Wirthe, sondern fleißige und arbeitsame Leuthe wären.
Die Ursachen für den Verfall der Kolonie liegen in dreierlei:
1. Die Kolonisten haben zu wenig Land.
2. Sie haben zu wenig Schafe.
3. Sie haben nicht die Mittel, hierin Abhilfe zu schaffen.
Diesen Tatsachen entsprechen die Hilfsmaßnahmen. Den Kolonisten soll Rodeland gegeben und zur Urbarmachung sollen ihnen die Mittel ausgehändigt werden. Es wird ein Schäferhaus erbaut und Geld zur Anschaffung von Schafen ausgezahlt. Mehrere Male wird den Kolonisten die Abführung ihrer Pacht erlassen.
Das Unternehmen will trotzdem wirtschaftlich nicht vorwärtsgehen. Der Kammer wird beschieden, die Unterstützungen für die Kolonie gingen ins Unglaubliche. Die Kolonisten seien verwöhnt worden. Sie würden niemals in die Lage kommen, ihre Pacht, die bereits i. J. 1774 herabgesetzt worden ist, zu entrichten, da sich auf diesem kleinen Vorwerck gegen 60 Persohnen nähren sollen, die beynahe den gantzen Einschnitt an Getreide verzehren ohne etwas zum Verauf übrig zu behalten. Es sei aber besser, diese Leute einmal auf einen solchen Fuß zu setzen, daß sie bestehen könnten, als ihnen alljährlich willkürliche Unterstützungen zu bewilligen. Bei der Ansetzung der Familien habe man den Fehler gemacht, daß man die bisherige Vorwerkspacht auf die Kolonisten verteilte. Eingroßer Betrieb könne aber billiger arbeiten, da ein großer Theil der Fuhren und Handarbeiten durch Hofdiener bestritten wird, wofür der Pächter nur ein geringes Dienstgeld entrichtet, oder doch wenigstens nur unverheyrathete Dienstboten gehalten werden, wogegen in jeder kleinern Wirthschaft eine Familie mit einer Anzahl Kinder ihren Unterhalt finden muß. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Nebenverdienst durch Holzfahren nicht möglich ist, weil der Zustand der Forsten in der Müllroser Gegend einen Holzverkauf nicht gestattet.
Am 23. November 1784 wird die Pacht für die gesamte Kolonie um 100 Reichstaler jährlich gesenkt. Trotzdem steht es Anfang 1785 so, dass einige Familien die Kolonie verlassen wollten, wenn sie keine weitere Unterstützung zur Vervollständigung ihres Viehbestandes erhalten. Im Jahr 1800 wird die Pacht abermals um 100 Reichsataler heruntergesetzt.
Obwohl es den Kolonistenfamilien durch diese Maßnahmen wirtschaftlich allmählich besser ging, gab es aber noch andere Probleme für die Kolonie Müllrose.
H. Trebbin schreibt dazu: Die Bürger ( Müllroses) konnten die Kolonisten nicht riechen.
1787 klagte der Magistrat: Die Colonisten ruinieren die Bürger weit mehr als diese ihnen. Kein Tag vergeht, wo sie nicht denenselben in ihrem Getreyde Schaden thun, ihr Vieh gehen lassen, wo es will, und wenn es die Bürger pfänden, es ihnen mit Gewalt wieder abzunehmen suchen.
Das gespannte Verhältnis zwischen Stadt und Kolonie dauerte noch tief bis ins 19.Jahrhundert hinein.
Im Jahr 1851 betrieb der damalige Landrat von Winter die Eingemeindung der Kolonie in die Stadt Müllrose. Die Stadtväter von Müllrose protestierten vehement mit der Begründung, die Interessen der beiden kommunalen Gebilde seien zu verschieden. So gab es weiterhin Reibungen und Konflikte. Durch die allgemeine Gesetzgebung war das Erbpachts- in Eigentumsrecht verwandelt worden. Dadurch waren die Kolonisten freie Eigentümer geworden und hatten einen eigenen Schulzen. Erst unter Bürgermeister Laubisch erfolgte 1907 die Eingemeindung.
Kolonie Müllrose 1771 = aufgesiedeltes Vorwerk
Wirtschaftlicher Charakter: Bauern mit ca.113,5 Morgen
Zahl derHaushaltungen: 1771 = 8; 1871 = 17; 1895: = 17
Zahl der Personen: 1771 = 54; 1805 = 20; 1871: = 81; 1895 = 101
Erwähnenswert ist: Die Vorwerksaufsiedlung nach dem Siebenjährigen Krieg wurde nach eingehender Prüfung zumeist als nicht realisierbar zurückgestellt. Müllrose blieb demzufolge eine Ausnahme. Wie sich in Müllrose zeigte, war es nicht wirtschaftlich vertretbar, die Gesamtpacht auf die Siedler zu verteilen.
Quellen: 1 - 4 Gerhard Fischer, Das Land Lebus S. 83, Berlin 1936
1 Hermann Trebbin, ?Müllrose, Aus den Schicksalen und Kämpfen einer
märkischen Landstadt?
Klaus Wolfert